Making of - Der Künstler kommt zu Wort -

 

Seit 20 Jahren arbeite ich als professioneller Fotograf. Speziell die Portraitfotografie hat mich schon immer am meisten fasziniert undbeschäftigt.
Um ein gutes Portrait zu machen,  bedarf es einer gewissen Vertrautheit und einer daraus resultierenden "Unbekümmertheit" des Portraitierten gegenüber dem Fotografen. Hilfreich ist auch eine Nähe, durchaus im räumlichen Sinne, gewährt zubekommen. All diese oben genannten Voraussetzungen erfüllt der eigene Blick in den Spiegel. 


Ich wollte die Comenius-Schüler portraitieren. Was liegt also näher, als den Versuch zu unternehmen, mit den Schülern der Comenius-Schule, immerhin 120 im Alter von 6 bis 24 Jahre, dieses Bild zu erschaffen, wenn man sich selbst im Spiegel betrachtet?
Also entwickelten wir ein portables "Mini-Fotostudio", bestehend aus einem runden Spiegel, in den mittig ein Loch gefräst wurde, durch das die Kamera gesteckt werden kann. Die Schüler werden durch eine Ringlampe beleuchtet (blitzen ging nicht wegen Epilepsiegefahr). Das Ganze wird über ein Stangensystem mit schwarzem Stoff gegen die Umgebung abgedunkelt. Auf der Rückseite des Spiegels stehe ich mit meiner Kamera, die auf ein Einbein-Stativgeschraubt ist, und versuche, den Autofokuspunkt, möglichst auf die Augen derSchüler zu richten. Das Auslösen bzw. den Moment, wann sich der Schüler selbst portraitieren möchte, entscheidet dieser mit Hilfe eines Funkselbstauslösers. Ehrlicherweise war nicht jeder Schüler aus motorischen Gründen in der Lage, den Selbstauslöser zu betätigen. In diesen Fällen habe ich die Kamera ausgelöst. 


Im Zeitraum von Januar bis Juni 2012 habe ich zusammen mit meinem Assistenten Kevin die Schule immer wieder besucht. Die Orte für die Fotoshootings waren Klassenräume, Flure, Turnhalle und der Pausenhof. Alle Schüler waren durch ihre Klassenlehrer auf das Fotoprojekt vorbereitet worden. Viele haben sich etwas Besonderes vorgenommen oder angezogen oder versucht, sich  schön zumachen.  Es gab Shootings von 2 Minuten Längen bis hin zu 30 Minuten. Immer konnte der Schüler bestimmen, wann er "genug" von sich hatte.
Im Anschluß an die Selbstportraits kam der meiner Meinung nach interessanteste Prozeß: das Auswählen des finalen Motivs durch den Schüler. Dies passierte, in dem wir die erstellten Bilder auf einem Laptop sichteten und der Schüler erstmal eine grobe Auswahl mittels "gefällt mir"-Zurufen traf. Diese grobe Erstwahl wurde dann mittels Ausschlussverfahrens auf das finale Bild reduziert. Ausschlussverfahren bedeutet: Man zeigte dem Schüler immer Motivpaare und er nannte bzw. zeigte das, was er gut fand, bis zum Schluss nur noch das Eine übrig blieb.

Ich muss gestehen, dass ich in vielen Fällen mehr als überrascht war, für welches Bild sich der Schüler am Ende entschieden hat. Ich habe wieder gelernt,dass es nicht immer das Klischeehafte, immer positiv gut drauf, immer lachende Image ist, von dem Außenstehende sagen würden, "Man, der ist gutgetroffen.", sondern dass es für den Schüler oft über diese oberflächlichen Parameter eine zweite Ebene gab, die vielleicht nur ihm erschlossen war. Ob mir das in einer "normalen" Shootingsituation gelungen wäre, bleibt ehrlicherweise fraglich.

 

Mein Dank gilt allen beteiligten Schülern und Lehrern derComenius-Schule Essen

 

Essen im September 2012

Andreas Teichmann

www.andreasteichmann.de"Kosten des Ausstellungskatalog ISBN 978-3-00-039364-8 15 EUR  bei Abholung,  ansonsten + Versand (Bitte im Sekretariat erfragen)"